Der Mond stand hoch am Himmel, schwebte
ruhig zwischen den Welten und
beobachtete des morgendliche Treiben in
einem kleinen Kloster, welches
zwischen den rauhen Kämmen eines
Berges, an die steilen Gebirgszüge
angeschmiegt, da lag.
Es war eine kalte Nacht gewesen und ein
Schüler, dessen Aufgabe heute darin
bestand, den Wohnraum zu heizen, lief
frierend, in eine dünnen Kutte gehüllt,
über den Klosterhof in einen kleinen
Schuppen, in welchem sich ein leider nur
noch spärlicher Vorrat an Feuerholz
befand.
Der Winter dauerte schon wieder
länger als eingeplant, und so wurde mit
der Wärme, die das Holz lieferte sehr
sparsam umgegangen. Dies nahm solche
Ausmaße an, daß sein Hirsebrei,
welchen es am Abend gegeben hatte, nach
einer kurzen Abwesenheit, er hatte
sich um ein Fenster, das der Wind
aufgeblasen hatte, zu kümmern, gefroren war.
Doch bald mußte der Winter ein Ende
haben. Der Meister hatte in einem Traum
Blumen und frisches Wiesengrün gesehen.
So entzündete er vorsichtig das
Feuer, er hatte es erst hier so richtig
zu schätzen gelernt und nachdem er nicht
mehr fror rief er die Übrigen zum
Gespräch mit dem Meister.
Als nun alle in der zwar beheizten aber
trotzdem kalten Halle saßen, hörte der
Meister den Fragen seiner Schüler zu.
Ein sehr junger Mönch stellte die erste:
»Heute Nacht frohr mir so, daß ich
unter die Decke von Fun-Zien steigen mußte, um nicht zu erfrieren. Wäre ich
allein in der Nacht gewesen, so glaube ich, könnte ich nicht mehr hier
sitzen. Wäre das auch TAO gewesen?«
»Was glaubst du, ist nicht TAO?«
( Der Schüler schwieg )
»Was glaubst du ist TAO?«
»Nun TAO ist alles, die absolute Leere und die Fülle,
es verbirgt sich hinterallem, was wir in der Natur finden«.
»Warum sagtest du dann auf die Frage was TAO nicht ist: Schweigen? Und auf die Frage was TAO ist: Reden wie ein
Wasserfall?«
( Der Schüler verbeugte sich still )
Ein anderer Schüler zeigte dem Meister
ein unbeschriebenes Stück Pergament und fragte:
»Ist TAO nur die
leere, oder ist es auch Dieses?«
»Welches?«
»Das leere Blatt.«
»Fragst du wegen der Leere oder wegen
des Blattes?«
»Wegen beidem«
»Die Natur der Schrift ist das Blatt,
die Natur des Blattes ist die Leere, die Natur der Leere ist das Schweigen. Wer
Schweigen hat, sagt alles«
»Sagt Meister, warum ist TAO so
grausam? Warum tötet es, zerstört und liebt nicht das, was es erschafft?«
»Wenn du Hunger hast, raubst du einer
Pflanze die Blätter, die sie mit
großer Mühe aufbaute. Wenn du dich
wäschst, dann verschmutzt du die
Wohnung der Fische, wenn du umhergehst,
zermalmst du manches
Wesen. Dein Leben, dabei führst du es
mit Bedacht, zerstört ständig.«
»Aber ist es nicht die Natur, welcher
ich folge?«
»Die Natur des TAO's ist auch
Zerstörung. Aber es trennt nicht. Es Ist«
»Was würdest du als meinen Sinn
bezeichnen?«
»Was wurdest du als meinen Unsinn
bezeichnen?«, fragte der Meister und
fuhr fort:
»Was ist Wahrheit? Es ist
eine in Worte gefaßte Meinung. Soviel
Menschen, soviel Worte, soviel
Meinungen, soviel Wahrheit. Die Wahrheit
aber kommt mit wenigen Worten aus. Sie
ist einfach unbegrenzt und kann
nicht in Worte gefaßt werden. Wenn ich
erkläre, dann muß ich eingrenzen.
Ziehe ich aber Zäune, dann gibt es
nicht mehr die Wahrheit die alles
umfaßt, sondern es ist die beschränkte
Wahrheit. Tao kann nur erfahren
werden. Es offenbart sich überall, denn
es ist alles. Doch sobald man versucht es zu erklären, wird es in
einen umgrenzten Raum gesteckt, in
den es gar nicht ganz paßt. Es bleibt
immer auch außen vor, denn es ist
das Fundament auf das ich baue, es ist
die Substanz, mit der ich baue. Es
ist wirklich ALLES UND NICHTS. Doch rede
ich über das Tao, will ich
einem alles darüber mitteilen. Doch wie
soll ich mit ihm über das Nichts
sprechen, dem Tao, dessen Samen es
ist?«
Tao ist leer
und in seinem Wirken
wird es nie gefüllt.